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Das ist ein komplexes Thema. De facto gibt es keinen wirklichen globalen Raum, in dem Ad-hoc-Fragen bzw. akute „Emerging Technologies“ verhandelt werden könnten. Die UN hat keinen Einfluss, es gäbe auch im Bereich G7/G20 keinen Konsens, denn bei „Künstlicher Intelligenz“ geht es auch um Standortvorteile (denn es will ja niemand das KI-Google in seiner Region verhindern, selbst wenn man gar nicht die Voraussetzungen an Daten-Material hat).

Was es gibt: Grundlagen-Arbeit der (in dieser Frage oft unterschätzten) OECD. Da war das entsprechende Gremium 2019 auch mit Stakeholdern unterschiedlicher Art besetzt (Liste hier). Aber klar, Papier ist geduldig.

Die eigentliche Frage lautet ja: Haben wir es bei den neuen LLMs mit einer Entwicklung zu tun, die einen Notfall-Mechanismus wie Finanzkrise oder Pandemie bedingt? Falls ja, wird das Thema definitiv unterschätzt. Falls nein, lautet die Frage: Wie reguliert man das am besten und rechtzeitig? Die größten Blöcke, die damit angefangen haben, sind China und die EU. Carnegie hatte neulich einen recht interessanten Vergleich zwischen der horizontalen (EU) und vertikalen Regulierung (China). Und da sind wir IMO bei dem Problem, dass Europa inzwischen ex ante reguliert, aber dabei auf Beispiele aus der Vergangenheit bzw. Textbuch-Wissen rekurriert. Und sich dann eine sehr inflexible Regulierung gibt (siehe DSGVO, siehe auch schon DMA), deren Update-Prozesse viel zu lang dauern bzw. manchmal gar nicht vorgesehen sind. Aber immerhin wird es ein – ich nenne es mal so – „Grid“ geben, auf dessen Grundlage LLMs und abgeleitete Produkte reguliert werden. Und zwar deutlich früher als das zum Beispiel in den Nullerjahren mit den Social-Media-Plattformen der Fall war.

Aber auch: Ja, natürlich würde man sich eine globale Diskussion wünschen, die nicht nur Tragweite und Folgen auslotet, sondern konkrete, anwendbare und dann auch umgesetzte politische Handlungsvorschläge macht. Ich persönlich bin positiv überrascht, dass in Deutschland zumindest die Diskussion über die Auswirkung auf das Bildungswesen geführt wird (hierzu wird es demnächst auch ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags geben, auch das eine unterschätzte Institution). Ich hätte gedacht, dass das länger dauert.

Der Preis, den Benjamin Netanjahu für die vorläufige Verschiebung der „Justizreform“ zu zahlen bereit ist: Iramar Ben-Gvir, ultrarechter Minister für öffentliche Sicherheit, erhält offenbar die Zusage für die Schaffung einer „Nationalgarde“.

Nun lässt sich argumentieren, dass eine  Eingreiftruppe angesichts der ständigen Spannungen in den besetzten Gebieten sinnvoll ist. Oder aber, dass es keine gute Idee ist, einem Rechtsextremen und Hardcore-Siedler eine eigene Miliz zu unterstellen.

Wie reagieren Menschen auf Müll-Roboter? Das ist die Frage, die sich Forscher der Cornell University stellten. Sie montierten einen Mülleimer auf ein elektrisches Rollbrett, installierten eine Kamera und ließen die Tonne losfahren, um Müll einzusammeln.

Das Resultat: Anthropomorphisierung. Ich schreibe derzeit ja häufiger darüber im Kontext von Large Language Models (a.k.a. dialogische „Künstlicher Intelligenz“). Und finde es immer wieder faszinierend, wie die Kombination aus „uns unterlegen, hilfsbereit und nützlich“ dazu führt, dass wir Dingen menschliche Eigenschaften zuschreiben. Gleichzeitig ist es ziemlich beunruhigend, wie einfach wir mit solchem Design zu manipulieren sind.

Hier das Video mit dem Experiment:

Simon Kuper stellt in der FT die Reformfrage: Braucht Frankreich eine sechste, oder zumindest reformierte fünfte Republik? Er diagnostiziert Stasis durch Technolkratie und eine regierende Elite, die sich letztlich dynastisch organisiert. Institutionell sieht er die fortgesetzte Entwertung des Parlamentarismus durch die starke Rolle, die der Präsident einnimmt. Dessen Rolle wiederum durch die von de Gaulle eingeführte Direktwahl noch zusätzlich aufgeladen, inzwischen sogar überfrachtet ist.

Weg von der Direktwahl, hin zur Stärkung des Parlaments und der Regionen: Das ist der Kern der Forderung Kupers (und einige Reformer, auf die er sich bezieht). Und er sieht ausgerechnet Macron als denjenigen, der diese Reformen durchführen könnte.

Nicht nur deshalb ein äußerst lesenswerter Text, sondern auch wegen solcher punktgenauer Beobachtungen:

„It was said of US President George HW Bush that he reminded every woman of her first husband. Macron reminds every French person of their boss: an educated know-it-all who looks down on his staff.“

Sy Hersh hat bei Substack ein investigatives Stück veröffentlicht, in dem er den USA vorwirft, hinter dem Anschlag auf die Nordstream-Pipelines zu stecken. Das löst erwartbar einen Glaubenskampf aus: Was nicht wahr sein darf, kann nicht wahr sein. Oder auch: Was unbedingt wahr sein muss, soll unbedingt wahr sein.

Das Stück selbst basiert auf eine einzige (anonyme) Quelle. Der Vorwurf, dass sich Hersh zu sehr auf Einquellen-Recherchen stützt, wird bei ihm regelmäßig geäußert. Zugleich ist das Stück sehr detailliert, er müsste also einer elaborierten Täuschung aufgesessen sein (was ihm im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über die mutmaßlichen Giftgas-Angriffe in Syrien vorgeworfen wurde).

Betrachtet man das Motiv, die Pipeline zu zerstören, ergibt der Fingerzeig auf die USA Sinn. Deutlich mehr zumindest als der routinierte Verweis auf Russland.

Am Ende muss jede/r selbst entscheiden. Aber eben nicht als Glaubensfrage, sondern rational. Ich selber zweifle nicht an der Integrität Hershs. Die Fälle JFK (Nutzung offensichtlich gefälschter Dokumente) und die fragliche Bin-Laden-Theorie wecken aber auch berechtigte Zweifel.

Immerhin wächst so der Druck auf die Ermittler vor Ort, endlich mehr Transparenz zuzulassen und detaillierte Ergebnisse vorzulegen.

Ich muss in letzter Zeit häufig an diese Karte denken. Sie zeigt Ergebnisse einer UN-Abstimmung im Dezember 2022 über eine „neuen Wirtschaftsordnung“ nach Covid-19 und im Zeichen der Rezession.

Klar, UN-Abstimmungen sind immer Festspiele der Heuchelei. Ich glaube nicht, dass Saudi-Arabien an einer gerechteren Wirtschaftsordnung ein gesteigertes Interesse hat. Oder dass von dieser Wirtschaftsordnung in Simbabwe und Myanmar besonders viel bei den Bewohnern ankommen würde.

Aber dennoch ist das die Skizze einer Nord-Süd-Blockbildung – die westlichen Industrienationen plus Japan und Südkorea auf der einen Seite; der globale Süden mit Russland und China auf der anderen.

Es gibt genügend Signale. Den Empfang für Lawrow in Südafrika zum Beispiel. Oder die bröckelnden Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika. Oder diese Analyse des ehemaligen US-Botschafters in Saudi-Arabien über die Abwendung des Südens vom Westen. Um nur drei Meldungen/Artikel zu nennen, die mir in den letzten Tagen begegnet sind.

Es ist durchaus ironisch: Diejenigen, die intensiv über symbolische Dekolonisierung diskutieren und dabei auf die Vergangenheit blicken, sind oft blind für die reale politische Abkopplung zwischen Norden und Süden, die in der Gegenwart stattfindet.

Ilan Manor weist im Digital Diplomacy Blog noch einmal auf das Offensichtliche hin, das aber historisch betrachtet alles andere als nebensächlich ist.

Diplomatie, besonders Militärhilfe und speziell Waffenlieferungen, war früher eine Sache höchster Geheimhaltung.

Das hat sich inzwischen durch die Digitalisierung geändert: Länder verkünden (und Twitter) Waffenlieferungen, die Ukraine bestätigt und dankt (auch über Twitter).

Die ukrainische Regierung übt über Social Media auch Druck aus:

„Ukrainian officials flood social media with images documenting the unbelievable scale of destruction inflicted by Russia. These images are accompanied by please for advanced weapons to help fight Russia. Other times, official Ukrainian accounts publish videos depicting the fetes of Ukraine’s armed forces promising that with adequate arms Ukraine could defeat Russia once and for all saving both Ukraine and the world. Finally, there are those accounts ran by Ukrainian diplomats that urge the international community to help prevent war crimes and genocide by arming Ukraine to the teeth. These tweets are then legitimized by OSINT experts, academics, opinion makers and even former military officers. Some tweets are also endorsed by Ukrainian digital Ambassadors such as ‘Star Wars’ Hark Hamill or historian Timothy Snyder. Next, the tweets are shared by hundreds of thousands of Twitter users. Some amplify the cry for help, others support the promise of defeating Russia while still others fear the growing loss of life. The cumulative effect of all these Shares, Likes and Re-Tweets should not be understated.“

Dadurch steigt der Druck auf den Westen, weitere Waffen zu liefern.

Zugleich haben auch diese Länder ihre Interessen: So nutzt Großbritannien zum Beispiel die Panzerlieferungen, um sich vom Image als introvertierte, nach innen ausgerichtete Nation zu lösen und sich als global-orientierte Macht zu präsentieren.

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Reconstructing Ukraine ($)

Vračić was fourteen then, taking shelter from Serbian shells in the basement of her home in Sarajevo. “We were listening to the radio,” she remembered, “and they were playing patriotic songs about our army being so strong and how, whenever this was over, we would be celebrating.” But thirty years later there was only bitterness. “This is what I really fear for Ukrainians,” she said:

They should really brace themselves for lots of disappointments that will come.… People who were not even necessarily in Ukraine will be the ones celebrated afterwards for the successes of the Ukrainian army. People who are not on the front lines will become rich overnight. War profiteering and all the stuff that Ukrainians don’t necessarily see at this moment will come, and these disappointments will hurt them more than the actual war.