Puh, das geht schon wieder auf überschaubarem Niveau los. Vielleicht zur Abkürzung.

  1. Olaf Scholz sollte Christine Lambrecht abberufen. Aber nicht wegen ihres Silvestervideos. (Bilanz der SPD-Ministerriege ist echt ein Thema für sich, wenn Hubertus Heil dein einziger Bannerträger ist, hast du entweder sonst die falschen Ministerien gewählt oder das falsche Personal, oder eine Mischung aus beidem).
  2. Floskelwolke und der Freiheitsbegriff: Ein Köder für die Aufmerksamkeitsökonomie. Denn „Freiheit“ mit einer solchen Auszeichnung unter Generalverdacht zu stellen, ist nicht weniger plump als die beklagte Vulgarisierung. Diskussionen über die Freiheit, die wir meinen, werden in Social-Media-Deutschland weitestgehend als Sprachspiel oder Stammesritual geführt. Ortega y Gasset darf gleich eine Doppelumdrehung im Grab hinlegen.
  3. Diskussionen über Ausschreitungen in der Silvesternacht. Sicher einerseits berechtigt, andererseits erwartbar unergiebig und nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass es linearen Medien in der ersten Januarwoche an Themen fehlt. Mit einer grundsätzlichen Böllerverbotsdebatte schüttet man dann auch noch das Kind mit dem Bade aus (oder findet einen Vorwand, selbiges zu tun). Es würde mich freuen, wenn zu solchen Ausschreitungen gezielt qualitative soziologische Forschung durchgeführt werden würde, auf deren Basis man diskutieren kann – und zwar nicht erst in einigen Jahren.

Ich arbeite gerade an meinem DLF-Hintergrund zur Verwaltungsdigitalisierung. Und habe eine Menge Material, das nicht reinpassen wird.

Zum Beispiel dieses plakative Beispiel für „Prozessdigitalisierung“, das Verwaltungsdigitalisierer Torsten Frenzel vom (wirklich sehr empfehlenswerten) E-Government-Podcast mir beschrieben hat:

Wenn ich eine (auch Online-)Leistung beantrage und bezahle – zum Beispiel einen neuen Führerschein – ist das für die Verwaltung noch kein Vollzug. Sondern es muss danach auf Verwaltungsseite immer noch eine Zahlungsanordnung ausgestellt werden – eine Anordnung eines/einer berechtigten Mitarbeiter oder Mitarbeiterin, dass die Kommune/Verwaltung das Geld überhaupt annehmen darf. Teilweise war das einmal mit bis zu drei Unterschriften verbunden (ich nehme an, um Korruption zu verhindern).

Wenn ich diesen Prozess einfach nur plump digitalisiere, baue ich mir dann etwas für die (wahrscheinlich automatisierte) Umsetzung der Zahlungsanordnung dran. Aber eigentlich ist diese Anordnung natürlich völlig überflüssig, denn ich habe mit Antrag, Identifikation und Zahlungsvollzug alle Informationen, die notwendig sind.

Das bedeutet eben „kluge“ Verwaltungsdigitalisierung: Prozesse und damit Vorschriften anpacken und überlegen, wie ich sie digital denken und damit effizienter machen kann.

Vorab: Ich bin kein Militärexperte. Die Diskussion darüber, ob Deutschland bis 2026 die notwendigen Umbaumaßnahmen und Fluggenehmigungen für die F-35-Kampfjets hinbekommt, scheint mir allerdings nicht die dringlichste Frage zu sein.

Das eigentliche Thema: Dieses Kampfflugzeug ist ein bislang Milliarden- bzw. Billionengrab und technisch unreif. Die Probleme sind so groß, dass das Pentagon dieses Jahr Teile der unabhängigen Tests unter Verschluss hielt. In Südkorea sind F-35-Flugzeuge immer wieder wochen- bis monatelang außer Betrieb.

Nun lässt sich sagen: Das sind Kinderkrankheiten, die bis 2026 sicherlich auskuriert sind. Allerdings wird der Flieger schon seit zwei Jahrzehnten entwickelt. Insgesamt bringt diese Milliarden-Investition also ein beträchtliches Risiko in sich (von der Frage, was Frankreich und Airbus davon halten, gar nicht zu reden).

Um diese lesenswerte US-Analyse aus dem März 2022 zu zitieren:

„More than twenty years into the F-35’s development, the aircraft remains in every practical and legal sense nothing more than a very expensive prototype. The simple fact that the contractors and the program office haven’t been able to deliver an aircraft whose effectiveness has been proven through a full operational testing program suggests the original Joint Strike Fighter concept was flawed and beyond any practical technological reality. With little progress and significant regression in 2021, it seems that the F-35 program will remain in its current stagnant state for the foreseeable future.

Solche Faktoren sollte man auch und gerade in der Zeitenwende-Ära berücksichtigen. Aber wenn dann in der zweiten Hälfte Jahrzehnts das Ausmaß der Probleme klar wird, heißt es sicher wieder: „Das hat wirklich niemand ahnen können.“

Wieder einmal scheitert der Spiegel an einem literarischen Rahmen für Olaf Scholz. So wie bereits im Wahlkampf, als man dem damaligen Kanzlerkandidaten mittels seiner Max-Weber-Vorliebe einen politischen Handlungsrahmen ankonstruieren wollte, der in dieser Form schlicht nicht existiert.

Nun also diese These (€) Scholz liest viel, weiß viel und ist ein Besserwisser, der sich gerne von der Welt abwendet. Die Bücher – Van Reybroucks Indonesien-Biografie, Reckwitz, Eltchaninoffs Putin-Buch usw. – sind wenig kontrovers. Und liefern auch keine Indizien für die These, dass sich Scholz mit und aufgrund seines Bücherwissens der Realität (und anderen Menschen) überlegen fühlt.

Nein: Olaf Scholz ist zwar ein Besserwisser. Aber das aus ein paar Büchern und seinen Lesegewohnheiten zu konstruieren, ist in diesem Fall nicht viel mehr als der vergebliche Versuch, eine vorgefertigte Charakterskizze in die Form eines literarischen Listicles zu pressen.

Wenn dein Ministerialapparat tiefschwarz ist und Dinge an die Oberfläche spült, die dein Koalitionspartner mit großer Geste auf die Waage gegen echtes und vermeintliches Zukurzgekommen-Sein legen kann… dann bist du als SPD in einem Dilemma.

Kann sich noch jemand daran erinnern, als dem Koalitionsvertrag vor einem Jahr eine klar erkennbare FDP-Handschrift bescheinigt wurde? Die FDP offenbar nicht. Allerdings harrt die Gleichung „Mehr Theater = bessere Gesetze = höhere Umfragewerte“ weiterhin des politischen Beweises.

(Apropos Theater: Frau Faeser sollte sich nicht beschweren, sondern sich lieber bei den politischen Winston Wolfs in ihrem Umfeld bedanken, dass ihre Schmierentheater-Inszenierung „Red Schönbohm“ offenbar folgenlos bleiben wird).

Was Falk schreibt:

„Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat auf Basis eines Satire-Magazin-Berichts die maßgebliche IT-Sicherheitsbehörde der Bundesrepublik in Misskredit gebracht. Sie hat offenkundig nicht gewusst, dass sie Schönbohm nicht beliebig in den einstweiligen Ruhestand versetzen kann und vollführt seitdem wildeste Verrenkungen auf Kosten der Steuerzahler, um Schönbohm einen anderen Posten zuzuweisen, weil sie das muss. Bis heute gibt es keinen Vorwurf, der so stichhaltig begründet wurde, dass Faesers angeblich erschüttertes Vertrauen in Schönbohm nachvollziehbar wäre.“

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte bislang Schwierigkeiten, in der Kommunikation aus dem Kanzleramt eine nachvollziehbare Linie zu finden. Was auch an seinem Chef und dessen Verständnis von Medienarbeit liegen dürfte.

Mit dem Foto vom Gipfel in Bali ist ihm allerdings ein Coup gelungen, denn es ist meines Wissens nach das einzige von dieser Situation (das Weiße Haus zieht in den Fotomedien Fotokacheln der Pete-Souza-Schule vor, scheint mir). Und es zeigt Olaf Scholz, wie zwar nicht alle Augen der anderen G-Leader auf ihn gerichtet sind. Aber die Gruppe eben doch darauf zu warten scheint, was der Olaf in dieser kritischen Situation zu sagen hat.

Was zwar, glaube ich, nicht so recht seinem echten Standing entspricht. Aber nachdem man schon nach dem Macron-Mittagessen in Paris hemmungslos Harmonie-Spins rausgetrommelt hat, lässt sich auch das Fotostory-Projekt „Olaf Scholz, ein echter truly World Leader“ gut an.

Was der DLF-Hamburg-Korrespondent Axel Schröder sagt, kann ich unterstreichen. Was ist die Substanz der angeblichen chinesischen Bedrohung? Nachdem deutsche Firmen und die Bundesregierung mehr als 15 Jahre mit windigen Joint-Ventures den Technologie-Transfer in Kauf genommen haben, weil man damit kurzfristig die Profite nach oben trieb, entdeckt man jetzt seine Sorge über Know-How-Diebstahl. Das hat China im Schiffs- und Logistikbereich gar nicht mehr nötig, Freunde. Wir sind es, die jetzt eigentlich aufholen müssten, speziell beim Einsatz von Machine Learning und anderen Formen der Datennutzung.

(Gut, ich vereinfache etwas, aber die Diskussion mutet schon sehr seltsam an).

Ein paar Worte zu dieser Woche: Mir scheint, als hätte das Kanzleramt die mediale, durchaus institutionalistisch geprägte Reaktion auf das „Machtwort“ unterschätzt – und nicht damit gerechnet, dass das als derart hoher Glaubwürdigkeits-Kredit taxiert wird. Denn eigentlich ist das koalitionspolitisch eine ziemlich gelungene Lösung.

Ein größeres Problem als der Richtlinienkompetenzbrief des Kanzlers scheint mir, dass ihm mit Frankreich der wichtigste Partner von der Fahne geht. Und man wieder beim distanzierten Merkel-Macron-Verhältnis angelangt ist. Nur mit deutlich größeren Problemen und deutlich weniger Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeiten Deutschlands.