5G-Mobilfunk: Bundesregierung errichtet hohe Hürden für Huawei

„Bei der Einladung für das Treffen der beteiligten Ministerien habe es ein ‚Büroversehen‘ gegeben, heißt es in Regierungskreisen – der Vertreter des Wirtschaftsministeriums fehlte deshalb in der entscheidenden Sitzung.“

Can’t make this shit up. Ich kenne derzeit kein anderes Thema im politischen Berlin, in dem so unehrlich argumentiert, so viel gehakelt und gesponnen wird wie bei 5G.

Do No Harm ($)

Das, was wir „Content-Moderation“ nennen, ist bekanntermaßen alles andere als perfekt. Niloufar Salehi nennt im neuen Logic-Magazin das Beispiel Rachepornografie: Ein Opfer muss das entsprechende Material hochladen, damit Facebook ein Wasserzeichen für das Blocken erstellt. Die Betroffenen erfahren aber nicht, ob jemand danach versucht, das Video nochmal hochzuladen. Beweise für Gerichtsverfahren erhalten sie ebenfalls in der Regel nicht.

Sie schlägt deshalb einen anderen Weg vor, im Sinne von „Restorative Justice“, also Vergebungsprozessen. „Wer wurde verletzt? Was braucht diese Person? Wer hat Sorge zu tragen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden?“, sind drei Fragen, die eine solche Herangehensweise stellt. Letztlich geht es darum, bei solchen Fällen geschulte Mitarbeiter einzusetzen, die sich mit den Trauma-Dimensionen von Online-Bösartigkeiten auseinandersetzen.

Das funktioniert nicht bei einem Riesen-Netzwerk. Aber ich kann mit theoretisch vorstellen, dass eine solche Betreuung in einigen Jahren zur Zulassungsvoraussetzung gehören könnte, überhaupt Soziale Netzwerke (die dann reguliert viel kleinere Maximalnutzerzahlen hätten) betreiben zu dürfen.

Accidental cover-up

Bei allen Kontroversen über die Löschung von Inhalten gibt es hierüber keinen Zweifel: Gewaltvideos von Terroristen müssen gelöscht werden. Der Economist weist auf eine unbeabsichtigte Nebenwirkung hin: Damit kann auch Beweismaterial über Menschenrechtsverletzungen verschwinden – zum Beispiel aus dem syrischen Bürgerkrieg. Automatisierte Moderation verschlimmert das Problem: Prinzipiell ist es gut, dass Menschen keinen Blick mehr auf Gewalttaten werfen müssen. Aber so verschwindet das Material ungesehen.

Revenge of the Money Launderers

Matt Taibbi über den FinCen-Skandal im Kontext früherer Geldwäsche-Strafzahlungen. Lehrreich und unterhaltsam, was bei komplexer Finanzskandal-Berichterstattung eher selten ist. Taibbi beschreibt auch noch einmal den wichtigen Unterschied zwischen Regulierung/Compliance auf dem Papier und Regulierung/Compliance in der praktischen Umsetzung:

„Every time compliance officers discover derogatory information that leads to an account being closed, it’s a direct hit to a bank’s revenues. On the other hand, to keep regulators off their backs, banks have to be seen to be doing all they can to sniff out illegalities. Therefore there’s an incentive for banks to cycle through creative ways of looking like they’re engaging in compliance, without actually doing so.

A bank might create sizable AML departments, but pad them with inexperienced, entry-level employees incapable of spotting problems (see here for the HSBC example I wrote about years ago). A firm may hire a top-of-the-line department head, but not give him or her real resources. Required hiring boxes may be checked, but the company may non-report or under-report problems. Companies may even generate huge numbers of suspicious activity reports while leaving key data like names or addresses missing.“

Casey Newton: Platformer

Casey Newton verlässt The Verge und macht einen eigenen Substack-Newsletter. Wer ihn nicht kennt: Sein bisheriger Newsletter „The Interface“ war im Kontext Tech das, was man abgedroschen als „Leseverpflichtung“ bezeichnet. Genau deshalb bin ich verwundert, dass er „nur“ 20 000 Abonnenten hatte. Nicht falsch verstehen: Das ist eine Menge, aber für ein derart relevante, kostenlose Publikation, noch dazu in englischer Sprache… ich dachte, die Nische wäre größer.

Was natürlich nichts daran ändert, dass ich darauf hoffe, dass im Journalismus viele kleine Boote den langsamen Untergang der großen Tanker kompensieren. Und dass ich mit großer Sicherheit ein Abo abschließen werde. Ein ähnliches, älteres Projekt mit Schwerpunkt Social-Media-Plattformen ist das deutsche Social Media Watchblog, das ich Interessierten ans Herz lege. Und auch von mir wird drüben auf dieser Baustelle hier in den kommenden Wochen mehr passieren, allerdings vorerst nicht auf Monetarisierung ausgelegt.

Seeing Like an Algorithm von Eugene Wei

Eugene Wei mit einem weiteren TikTok-Essay. Ein bisschen banal erscheinen die Erkenntnisse schon: Wenn „Künstliche Intelligenz“ bedeutet, dass ein Computer sehen lernt, dann folgt TikTok als erstes (?) Netzwerk diesem Prinzip: Design für Datenfütterung, also ein geschlossenes Feedback-Loop, an dem die Software lernen kann. Demnach löst „algorithmen-freundliches Design“ das Prinzip von reibungslosem, „nutzerzentriertem“ Design ab. Damit wird auch die „Followerschaft“ sozialer Netzwerke von einem anderen Paradigma abgelöst: sofware-basierte Interessen.

Dass das banal klingt, heißt nicht, dass es falsch ist. Um seine These zu stützen, muss Wei allerdings herunterspielen, dass Tinder ähnlich funktioniert und die von ihm genannten Verhaltensinformationen auch in Formaten wie Instagram Stories vorhanden sind. Und dass schlicht jedes UX/UI-Design der datenverarbeitenden Industrie an Datenproduktion interessiert sein muss.

 

Swing and a Miss: "The Social Dilemma" Didn't Get It by Michael O. ChurchMichael O. Church ([object Object])
Failing to address the root causes of technological toxicity, the video essay amounts to no more than a missed opportunity.

Michael O. Church, hier bereits häufiger erwähnt, nimmt sich in der ersten Edition seine Substack-Newsletters (den ich hiermit empfehle) die Netflix-Doku „The Social Dilemma“ vor. Genauer: dessen unterkomplexe Darstellung, wie in der Tech-Branche Entscheidungen fallen und was Verantwortung bedeutet.

„Silicon Valley is not a bastion of cosmic evil. It is not Mordor or R’lyeh. Technology executives, in general, do not set out to damage the world for damage’s own sake. What we have is not cosmic evil, but the banal kind. The whole system runs on metrics: daily active users, clicks per hour, ads served, time of use, viral growth, et cetera. Each worker is enslaved to the short-term fluctuations of indicators over which he has limited control, and is usually pushed to do unethical things by the need to keep the numbers in line. Even software engineers are promoted, demoted, or fired based on the number of tickets they close. Senior product managers live or die based on whether they can get users to spend five more seconds within walled gardens. At the lower levels, no one’s trying to foster addiction or radicalization— they’re just trying to survive.“

Dass für Michael Church das Problem im „Konzern-Kapitalismus“ liegt, gehört zu seiner bekannten Haltung. Und so ist das ganze Essay eine Abrechnung mit unserer Gegenwart.

The Supreme Court and Normcore by Henry Farrell (crookedtimber.org)

Sollten die US-Demokraten – im Falle eines Sieges von Biden und einer Übernahme des Senatsmehrheit – den Obersten Gerichtshof aufstocken? Henry Farrell von Crooked Timber argumentiert: Normen existieren nicht im Vakuum, sie müssen auch mit reziproken Maßnahmen gestützt werden.

What this means, pretty straightforwardly, is that norms don’t just rely on the willingness of the relevant actors to adhere to them. They also rely on the willingness of actors to violate them under the right circumstances. If one side violates, then the other side has to be prepared to punish. If one side threatens a violation, then the other side has to threaten in turn, to make it clear that deviating from the norm will be costly. A norm governing relations between two opposing sides, where one side acts strategically (to exploit opportunities) and the other naively (always to support the norm) can’t be sustained.

Von einem Gleichgewicht der Abschreckung kann in den USA nicht mehr die Rede sein, für die Demokraten gliche eine Aufstockung des Supreme Court dem Versuch, Gleichgewicht durch Schrecken zu schaffen.

Der angesehene Rechtskorrespondent Jeffrey Toobin hat im New Yorker einen Vier-Punkte-Plan formuliert, den die Demokraten im Falle des Gewinns von Kongress und Weißem Haus umsetzen könnten:
1. Filibuster im Senat abschaffen
2. Washington DC und Puerto Rico zu Bundesstaaten erklären
3. Per Gesetz die Zahl von Bundesrichtern an niedrigeren Gerichten erhöhen
4. Die Zahl der Obersten Richter um zwei bis drei aufstocken.

Corona-Stützungsmaßnahmen in den USA: Die Fed bezahlt dieser Quelle zufolge im Schnitt 107 Prozent für Firmen-Obliationen, übernimmt sie also über Wert (das Geld geht in der Regel an große Fonds, die damit ohne großes Zutun ihre Rendite steigern können). Zugleich weist Mark Blyth darauf hin, dass die US-Bundesregierung für ihre Not-Kredite an amerikanische Kommunen vier Prozent Zinsen verlangt. Was angesichts der gegenwärtigen Niedrigzinssituation absurd ist und die regionalen Schuldbürden erhöht.

Das ist wahrscheinlich recht unterkomplex dargestellt, scheint mir aber zu signalisieren, dass die Grundidee der gegenwärtigen amerikanischen Wirtschaftslogik auch in der Krise weiter funktioniert: Umverteilung von Vermögen und Lasten in eine problematische Richtung.

AI ethics groups are repeating one of society’s classic mistakes by Abhishek Gupta und Victoria Heath ([object Object])
Too many councils and advisory boards still consist mostly of people based in Europe or the United States.

The newly formed Global AI Ethics Consortium, for example, has no founding members representing academic institutions or research centers from the Middle East, Africa, or Latin America.

(Hinter dem Hinweis verbirgt sich der Hinweis des Autorenduos, dass ihr Montreal AI Ethics Institute das anders macht).