Ich kriege diverse Debatten du jour mit, aber vergesse sie gleich wieder. Ich bin inzwischen recht schnell, das unter den Bereich Wohlstandsdebatten zu packen.

Wenn Musiker ein Konzert abbrechen müssen, weil sie weiß sind und Rastas tragen, sind das Ausprägungen des Wohlstandsprogressivismus. Wenn die FAZ glaubt, wegen irgendwelcher blöden Tweets ihres Korrespondenten in einem Leitartikel die Regenbohnen-Fahne vor dem Kanzleramt zum Symbol eines zweifelhaften Staatsverständnisses zu machen, dann sind das Ausprägungen des Wohlstandskonservatismus.

Nichts von dem sollte eigentlich einen größeren Teil unseres Zeitbudgets in Anspruch nehmen, und doch scheinen einige Menschen versessen darauf, über nichts mehr anderes zu diskutieren.

The perfectionism trap (€)

Woher kommt der Hang zum Perfektionimus? Eine Doppeltheorie aus obigem Stück: Wenn uns unsere Eltern als Kind unsere Defizite vorgehalten haben, versuchen wir unbewusst, diese Ansprüche später ein Leben lang zu erfüllen. So weit, so bekannt.

Der zweite Teil der Theorie: Wenn uns unsere Eltern anhimmeln, jeden kleinen Quatsch in den Himmel loben und wir das als Kind spüren, wollen wir genau diesem Stolz wieder gerecht werden. Damn. Und: Damn, auch für Eltern.

Was der Autor Josh Cohen gut beschreibt: Der Abschied vom Perfektionismus ist nicht das Ende unserer Lebensträume. Sondern der Anfang unseres Lebens.

 

The vibes theory of politics ($, Link in Twitter suchen deaktiviert die Paywall)

„Imagine, at the start of the pandemic, that Donald Trump had shut his country down and Angela Merkel had kept hers open. He justified his action as a protector of the homeland while she stressed liberal ideals. (“As a girl in East Germany, I saw the human cost of draconian . . . ”)

I bet the pandemic culture war we have seen since 2020 would have been exactly inverted. It would have been a badge of rightwing pride the world over to mask up or stay in. It would have been a progressive statement to bare your face and party. People don’t work out what they think and then join the corresponding tribe. They join a tribe and infer from it what they think.“

Janan Ganesh über Politik und die Frage, was Politiker für die Wählerschaft attraktiv macht. Er argumentiert entlang der „Somewheres/Anywheres“-Unterscheidung von David Goodhart – und kommt zu einem entsprechend deterministischen Modell politischer Willensbildung. Ähnlich formuliert es Jonathan Freedland im Guardian: „Brexit ist a mood, not a policy

Ich gebe zu: Auch ich habe damals in US-Präsidentschaftsdebatten im Format des politischen Sportreporters berichtet. Manchmal einfach, weil die Zeit für einen Überbau fehlte. Und weil es irgendwie auch das ist, was alle anderen machten. Allerdings habe ich irgendwann zumindest versucht, die Frage nach Gewinnern und Verlierern die Leserschaft beantworten zu lassen. Glaube ich zumindest.

Jetzt mal ehrlich: Diese Form von politischer Berichterstattung ist ein absoluter Quatsch – unterkomplex, intellektuell unterfordernd und letztlich überflüssig.

Hat er von der Ukraine als Ganzes oder von der Ostukraine gesprochen? Laut Transkript seines Ministeriums heißt es:

„So we announced the special military operation. We are determined to help the people of the East of Ukraine to liberate themselves from the burden of this absolutely unacceptable regime, to be able to freely use their language, to practice their religion, their culture, their tradition, their family values.“

Auch in der russischen Version heißt es „Ostukraine“. Ob das nun nachträglich verändert wurde oder AP mit einem Übersetzungsfehler einen Falchnachrichtenkreislauf in Gang gesetzt hat – keine Ahnung. (via)

Aus der Schrift des französischen Autors Louis-Aimé Martin über Müttererziehung (1834):

„Wenn Sie den politischen und moralischen Stand eines Volkes kennen wollen, fragen Sie nach dem Platz, den dort die Frauen einnehmen.“

(via)