Vorab: Ich bin kein Militärexperte. Die Diskussion darüber, ob Deutschland bis 2026 die notwendigen Umbaumaßnahmen und Fluggenehmigungen für die F-35-Kampfjets hinbekommt, scheint mir allerdings nicht die dringlichste Frage zu sein.

Das eigentliche Thema: Dieses Kampfflugzeug ist ein bislang Milliarden- bzw. Billionengrab und technisch unreif. Die Probleme sind so groß, dass das Pentagon dieses Jahr Teile der unabhängigen Tests unter Verschluss hielt. In Südkorea sind F-35-Flugzeuge immer wieder wochen- bis monatelang außer Betrieb.

Nun lässt sich sagen: Das sind Kinderkrankheiten, die bis 2026 sicherlich auskuriert sind. Allerdings wird der Flieger schon seit zwei Jahrzehnten entwickelt. Insgesamt bringt diese Milliarden-Investition also ein beträchtliches Risiko in sich (von der Frage, was Frankreich und Airbus davon halten, gar nicht zu reden).

Um diese lesenswerte US-Analyse aus dem März 2022 zu zitieren:

„More than twenty years into the F-35’s development, the aircraft remains in every practical and legal sense nothing more than a very expensive prototype. The simple fact that the contractors and the program office haven’t been able to deliver an aircraft whose effectiveness has been proven through a full operational testing program suggests the original Joint Strike Fighter concept was flawed and beyond any practical technological reality. With little progress and significant regression in 2021, it seems that the F-35 program will remain in its current stagnant state for the foreseeable future.

Solche Faktoren sollte man auch und gerade in der Zeitenwende-Ära berücksichtigen. Aber wenn dann in der zweiten Hälfte Jahrzehnts das Ausmaß der Probleme klar wird, heißt es sicher wieder: „Das hat wirklich niemand ahnen können.“

„Wir leben womöglich in einer Welt, in der zwei gegensätzliche Kräfte um ökonomische und politische Kontrolle ringen – der Kapitalismus und der moderne Staat. Beides sind Instrumente, die niemand vollständig kontrollieren kann. Und doch müssen wir uns besonders in Krisenmomenten zwischen den beiden entscheiden. Nicht, weil eine der beiden Kräfte uns täuscht und die andere uns die Realität in aller Ehrlichkeit darlegt: Beide täuschen uns auf ihre eigene Art. Aber beide sind auch auf ihre eigene Art unersetzlich. Es könnte also sein, dass wir vor einer politischen Wahl stehen, die zwischen unterschiedlichen Formen der Täuschung liegt.“

David Runciman: Leviathan (Seite 116, Übersetzung von mir)

Wieder einmal scheitert der Spiegel an einem literarischen Rahmen für Olaf Scholz. So wie bereits im Wahlkampf, als man dem damaligen Kanzlerkandidaten mittels seiner Max-Weber-Vorliebe einen politischen Handlungsrahmen ankonstruieren wollte, der in dieser Form schlicht nicht existiert.

Nun also diese These (€) Scholz liest viel, weiß viel und ist ein Besserwisser, der sich gerne von der Welt abwendet. Die Bücher – Van Reybroucks Indonesien-Biografie, Reckwitz, Eltchaninoffs Putin-Buch usw. – sind wenig kontrovers. Und liefern auch keine Indizien für die These, dass sich Scholz mit und aufgrund seines Bücherwissens der Realität (und anderen Menschen) überlegen fühlt.

Nein: Olaf Scholz ist zwar ein Besserwisser. Aber das aus ein paar Büchern und seinen Lesegewohnheiten zu konstruieren, ist in diesem Fall nicht viel mehr als der vergebliche Versuch, eine vorgefertigte Charakterskizze in die Form eines literarischen Listicles zu pressen.

L.M. Sacasas:

„Reading is not natural. There is nothing about human physiology that would lead inexorably to the advent of literacy. Yet it happened. This thing that I am doing just now as I type and which you are doing, in turn, just now as you read is almost magical. My thoughts, some small bit of my interior life is transmitted to you in another time and place through an incredibly simple technique of arranging two dozen or so symbols on a page. And most of us who have grown up in a literate society take it utterly for granted.“