Und auch hier würde ich mal gerne wieder etwas schreiben…
Kategorie: Allgemein
Unter Zwei
Geständnisse eines anonymen Trump-Ermöglichers. Lesenswert, aber ich will einen Punkt herausgreifen: Die exzessive Nutzung von Aussagen „Unter Zwei“ während der Trump-Ära, um Kritik zu äußern, obwohl man alles mitmacht. „Unter Zwei“ heißt: wörtlich oder sinngemäß zitiert, aber nicht genannt (im Deutschen: „Kreise“). Die Autorin Olivia Nuzzi rechtfertigt sich so:
My own self-serving justification for granting anonymity to Republicans connected to or able to provide insight into this White House is simple: If the choice is between being lied to on the record or told the truth “on background” (the technical term for anonymity), I will choose the truth every time — even though every time I choose the anonymous truth, I make it easier for this system of secrecy to continue. Actually, that’s too generous. It’s more truthful to say I’m part of a system that enables political leaders to have it both ways, to indulge in ugliness and irresponsibility and to distance themselves from their own actions. The press provides the alibi as it prosecutes the case.
Es gibt einige Dinge, auf die wir uns in den Zwanzigern journalistisch regelmäßig einstellen werden müssen: Offensichtlichere Lügen, die oben beschriebene Form von inoffizieller Distanzierung bei aktiver und offizieller Komplizenschaft, dazu die Versuche, über koordinierte Kontaktanbahnungen (zwei Quellen sind immerhin zwei Quellen) Falsches/Ablenkungs-Spin zu verbreiten, wie es in der Konzern-PR bereits recht perfekt praktiziert wird.
Jacks Amateure
Twitter and Facebook spent 24 hours defending decisions to throttle or block links to the NYPost story.
Amazingly, tonight Twitter changed its stance because of the chilling effect its "hacked materials" policy could have on whistleblowers
w @katecongerhttps://t.co/zmdQtC2zuO
— rat king (@MikeIsaac) October 16, 2020
Das hätte auch in einen Tweet gepasst, aber man muss die Maschine nicht füttern: Dass Twitter jetzt auffällt, dass ihre Anti-Hacking-Klausel zum Beispiel die Wikileaks-Enthüllungen geblockt hätte, ist… tja, typisch für dieses Unternehmen, das sich nie aus der Perspektive „Software-löst-alles“ lösen konnte, ohne eine entsprechende Software zu entwickeln.
Klar: Die Twitter-Probleme sind komplex (Moderation unter Skalen-Bedingungen und auf einem schmalen Grat rund um Meinungsäußerungen). Aber die müssten gar nicht so komplex sein, ich würde Twitter auch so keine Lösung zutrauen, solange Jack Dorsey das Unternehmen führt.
The West Wing und Nostalgie
This isn't just a staged reading: it's a call to action. The #WestWingSpecial comes to HBO Max on October 15, in partnership with @WhenWeAllVote. pic.twitter.com/j3dFIY2QE2
— HBO Max (@hbomax) October 8, 2020
The West Wing war unterhaltsames, harmloses Fernsehen – der Bogen der Geschichte weist zum Guten, Menschen sind schwach, aber lernfähig, undsoweiter. Sonst hätte NBC die Serie nie ausgestrahlt. Die Serie zeigt eine Demokratie, in der es letztlich mehr um höhere Prinzipien als um niedere Machtinstinkte geht; in der die Charaktere in Erinnerung bleiben, nicht die Politik, die sie machen oder die Veränderung, die sie bewirken. Letzteres macht sie zu einem Abbild der Clinton-Jahre.
Ich habe The West Wing damals sehr gemocht und finde die Serie weiterhin interessanter als überzeichnete Macht-und-Messer-Dramen wie „House of Cards“. Und doch wirkt die oben Neuauflagen-Nostalgie 2020 wie ein erkaltetes Lagerfeuer.
Natürlich, weil sich die politische Realität in den USA anders zeigt (was aber bereits unter Bush/Cheney der Fall war und den Reiz für West-Wing-Fans ausmachte). Aber auch wegen der Fixierung der Serie auf das vorwiegend Prozesshafte des Politischen, Aaron Sorkins Fetisch, den Figuren elegante und schlaue Wort in den Mund zu legen, ihnen aber darüber hinaus nur die Rolle von Polit-Managern und Verwaltern des Status Quo zu geben.
Das hat natürlich damit zu tun, dass die Serie keine eigene Realität außerhalb der Wände des Weißen Hauses erschaffen konnte. Und auch mit Sorkins politischer Haltung. Es wirkt aber auch auf seltsame Weise unpolitisch. Nicht im Sinne fehlender Polarisierung oder Rücksichtslosigkeit, sondern im Sinne fehlender Ideen, für was eine Regierung eigentlich da ist – jenseits davon, kleine Anpassungen vorzunehmen und rhetorisch die Werte des Landes zu beschwören. Was auch dem damaligen Zeitgeist entspricht.
Löschen statt sperren?
Bei allen Kontroversen über die Löschung von Inhalten gibt es hierüber keinen Zweifel: Gewaltvideos von Terroristen müssen gelöscht werden. Der Economist weist auf eine unbeabsichtigte Nebenwirkung hin: Damit kann auch Beweismaterial über Menschenrechtsverletzungen verschwinden – zum Beispiel aus dem syrischen Bürgerkrieg. Automatisierte Moderation verschlimmert das Problem: Prinzipiell ist es gut, dass Menschen keinen Blick mehr auf Gewalttaten werfen müssen. Aber so verschwindet das Material ungesehen.