„January is the best month of the year because January is honest. It doesn’t lie to you and it doesn’t let you lie to yourself.“

Das schreibt Peter Williams im New Statesman (eine Zeitschrift, bei der ich seit sechs Monaten vergeblich mein Abo zu kündigen versuche, aber das ist eine andere Geschichte…).

Und er hat gute Argumente: Nach einigen Wochen persönlicher, kollektiver und diätetischer Absonderlichkeit (a.k.a. Weihnachtszeit) kehrt die Normalität zurück. Wir nehmen Maß, wer und wo wir gerade sind (Menschen, die auf einer dunklen Seite des Erdballs leben, mit einer Menge Arbeit und wenig Zeit). Und wir denken Ende des Monats zum ersten Mal wieder an den Frühling.

Das Beste aber: In den Kneipen ist wieder genug Platz, weil die ganzen Dry-January-Langweiler daheim bleiben.

Asi Erich ist tot.

Ich weiß nicht, ob ich ihm schon in den Neunzigern begegnet bin. Damals wäre er vermutlich nicht besonders ausgefallen, in der Kuttenzeit gab es einige Leute, die ihm in Phänotyp und Besoffenheit ähnelten. Sein Ruhm im Schalker Mainstream kam glaube ich erst in den Nullerjahren, die auch meine Schalke-intensivste Zeit waren.

Irgendwann hatte ich die gesammelten Anekdoten im Netz (Schalke Unser?) gelesen und wusste Bescheid. Ich erinnere mich noch gut, als er im Sambazug zum DFB-Pokalfinale 2005 plötzlich in unser Abteil umfiel und niemand wusste, wie er es mal wieder hergeschafft hatte. Klar hat er ein Bier gekriegt.

Irgendwann war es mir zu viel mit dem Kult und dem Abfeiern, zumal Erich immer schlechter aussah und selten noch reden konnte, wenn man ihm am Spieltag über den Weg lief. Der Weg von der Kultfigur zum Maskottchen ist nicht weit.

Ich habe mich aber sehr gefreut, wie sich speziell Oli Kruschinski in den letzten Jahren um ihn gekümmert hat. Denn die Wahrheit liegt halt nicht in Selfies und Gesängen. Sondern aufm Platz.

„There’s someone in Bangladesh who would almost surely be a better economics professor than I am and is now behind a water buffalo,“ DeLong told me. „The market economy gives me and my preferences 200 times the voice and weight of his. If that isn’t the biggest market failure of all, I don’t know what your definition of market failure could possibly be.“

Bradford DeLong veröffentlicht dieser Tage seine Wirtschaftsgeschichte des langen 20. Jahrhunderts (1870 bis 2010), die den Namen „Slouching Towards Utopia“ enthält. Ein Lebenswerk quasi, wobei sein publizistisches Lebenswerk vielleicht die Tatsache ist, dass er seit 1999 bloggt  (inzwischen bei Substack). Noch so ein Buch, auf das ich mich freue.

Ich hatte mit Theo Sommer während meiner Zeit als Community-Redakteur bei ZEIT Online nur einmal zu tun, und das nur indirekt. Er hatte in einem Leitartikel über den Afghanistan-Einsatz die englischen „billions“ zu deutschen „Billionen“ gemacht. Der erste Leserhinweis kam ungefähr 30 Minuten nach Veröffentlichung, worauf ich ihm eine E-Mail schrieb. Als anderthalb Tage später noch keine Antwort vorlag, änderte ich die Zahl selbständig.

Etwa acht Wochen später erhielt ich eine E-Mail von Sommers Sekretärin: Der Hinweis auf den Fehler sei korrekt, ich könne ihn korrigieren.

Für mich symbolisierte das damals irgendwie auch die ZEIT, die Arbeitsweise dort und die Hierarchien im Journalismus. Beeindruckt hat mich allerdings Sommers Formulierungspräzision in der Analyse. Und sein Selbstbewusstsein, sich auch aus der Ferne Urteile über die aktuellen Verhältnisse vor Ort zuzutrauen und in den geopolitischen Kontext zu setzen, ob das nun Indien, Afghanistan oder Syrien betraf.

Nun ist Theo Sommer im Alter von 92 Jahren gestorben.

 

…muss ich manchmal an die Spiral Jetty in Utah denken, dieses fantastische Land-Arti-Werk von Robert Smithson (über das ich damals hier etwas geschrieben habe). 1970 war im großen Salzsee noch so viel Wasser, dass Smithson die Spirale in den See schütten musste. Ende der Siebziger verschwanden die Steine sogar zwischenzeitlich.

Und heute? Ist das Wasser weit weg, kilometerweit. Es wird trocken. Im amerikanischen Westen und auch anderswo.

Robert Smithson: Spiral Jetty

With “no alcohol, no renown, no women, no newspapers, no honours”, as he put it, he turned a modest existence on a professor’s pension into a life of holy poverty. “How at root he is a Christian,” Pourtalès writes, “this future anti-Christ!” Near the end in Turin, watching the passing cortège of a famous admiral, Nietzsche had the impression that he was attending his own state funeral. Accosting passers-by, he told them, “Be joyful. I am God. I am just in disguise.”

Nietzsche before the breakdown: In the 1880s, the ailing philosopher prophesied the West’s violent decline – but not even he could prevent it.

Radio Open Source: Nicholson Baker by Radio Open SourceRadio Open Source from radioopensource.org

Nicholson Baker hat sich für sein neues Buch auf die Spuren von Chemiewaffen-Programmen der USA in den Fünfzigern begeben. Er erzählt im „Open-Source“-Podcast über einen ungewöhnlichen Streit der Institutionen: Und zwar hatte die amerikanische Luftwaffe Ende der 1940er zunächst ein, dann drei Stockwerke in der Library of Congress übernommen. Dort arbeiteten CIA- und Pentagon-Mitarbeiter daran, auf Karten Bombardierungsziele in der Sowjetunion zu identifizieren.

Die Bibliothek, die ja sozusagen das kulturelle Gedächtnis des Landes beherbergt, wollte sich zunächst dagegen wehren; mit dem Beginn des Korea-Krieges schwenkte man um: Die Library of Congress versicherte Loyalität und schuf Platz, indem man in der Bücherei gelagertes Material „entsorgte“. Für Baker nicht nur ein symbolischer Wendepunkt, sondern Teil einer politischen Wende im beginnenden kalten Krieg: noch einmal unwiderruflicher entrückt von einer moralisch nachvollziehbaren Geopolitik, hin zu einer Außenpolitik der Geheimhaltung und rücksichtlichen Interessensdurchsetzung.