(Mein Szenario ist so gut wie eures)

Nein, Twitter wird nicht kaputt gehen.

Nicht, was die Infrastruktur betrifft. Dauerhaft, meine ich.

Und: Die aktuelle Twitter-Nahtod-Erfahrung, ausgelöst von einer Mischung aus Hysterie und Twittertodeswunsch, zeigt eben, warum Twitter eben nicht 1:1 ersetzbar ist. Wer dort kulturelles Kapital hat, wird so lange wie möglich bleiben. Zitat Rob Horning:

„Where else do my opinions have any convertible worth? By unilaterally purchasing the vault in which all this social capital is stored (and the primary means by which it circulates and valorizes itself), Elon Musk has created a kind of hostage crisis, but it’s not entirely clear what he wants or if we can simply post our way out of it, even if everyone is posting about him.“

Was also wird passieren? Elon Musk wird Twitter zu einem OnlyFans für Text und Video umbauen. Nein, ich rede nicht von Sex. Sondern von allgegenwärtigen P2P-Paywalls: Für den blauen Haken und bessere Sichtbarkeit, für Abos von Premium-Inhalten (die auch länger als 280 Zeichen sein dürfen). Jeder Nutzer, jede Nutzerin kann auch selbst Premium werden und sich monetarisieren. Vielleicht wird der Zugang grundsätzlich hinter einer Bezahlschranke verschwinden. Oder ich zahle als Marke/Firma, wenn ich mehr als 10.000 Nutzer habe.

Kulturelles Kapital lässt sich für die gegenwärtige Form von „Twitter-Berühmtheit“ nicht so einfach transferieren. Nur die wenigsten Twitterati werden sich die Mühe machen, Zeit in einen Substack-Newsletter zu investieren. Und für 5000 Mastodon-Follower zu posten ist etwas anderes, als 50.000 Twitter-Follower zu bespielen.

Und auf der anderen Seite gilt: Als seltsamer, aber effektiver und vor allem zentraler Informations- und Kommunikationshub kommt für den textfixierten Teil der Online-Menschheit kaum eine Alternative in Frage. Bislang zumindest nicht.

Musk hat also noch Zerstörungsspielraum. Er wird ihn sicher ausnutzen. Aber ich sehe die Netzwerk-Effekte in der Tiefe halten, nicht sich umkehren.

Die WM-Werbespots von Nike und Adidas zu vergleichen, ist auf mehreren Ebenen interessant: Welche Stars wo unter Vertrag sind, welches Fußball-Bild transportiert wird – und in diesem Jahr, wie CGI (Computer Generated Imagery) genutzt wird.

Nike geht dabei in die Vollen, lässt die Stars von heute gegen die gerenderten Ronaldinhos und Edgar Davids in Blütezeit antreten. Das Ganze ist voller CGI und hat auch ganz klar Computerspiel-Ästhetik.

Adidas dagegen spielt das Familienthema, ein eher klassisches, romantisierendes Sport-Bild also (unpolitisch im Kontext Katar sind beide Marken). Aber auch bei Adidas kommt CGI vor: Nämlich als Messi gegen sein früheres Ich Tischkicker spielt.

Mattathias Schwarz hat mit einem Ghostwriter gesprochen, der für Risikokapitalgeber Tweets verfasst (und damit eine sechsstellige Summe verdient).

„VCs will often choose to engage in those third-rail topics. For example, how many hours should you work? That’s a classic. If a VC feels they’re not getting enough attention, they can just tweet, “You have to work 80 hours a week to be successful.” Everyone will come out to tell you that you’re canceled. It taps into money, privilege, class, ability to sacrifice. People have a lot of emotions about those subjects.

So taking risks can lead to greater attentional rewards, but the precise level of risk I’ll take depends on the client. Some clients don’t care. They’re shock jocks. They’ll tweet anything. Others are more careful. It’s a question of what brand they’re trying to build.“

Wie stupide unsere Aufmersamkeitsökonomie ist, wie stumpf die Strartegien der Akteure dort.