Stephan Detjen nüchtern über die Bilder vom Samstag und die darauf folgende Diskussion. Ich hatte am Samstag kurz davor gewarnt, das Ganze symbolisch aufzuladen und damit das Geschäft jener zu betreiben, die über die Demos Destabilisierung betreiben. Aber natürlich funktionieren Medien und Politik nicht so, und wir haben stattdessen eine Bannmeilen-Debatten. Als wäre das in irgendeiner Form die Lösung.
Die ganze Konstellation ist schwer einzuschätzen. Ich sehe auf Social Media, dass ich Demo-Teilnehmer aufregen, dass seit Samstag Reichsbürger in den Chatgruppen den Ton angebe. Manche/r wird sich davon abgeschreckt zeigen, anderen wird das egal sein. Eine Analogie wären Fußballfans und Neonazis: Einige stören Neonazis in der Kurve nicht, andere wenden sich ab, für die Neonazis wiederum ist das eine gute Möglichkeit, Präsenz und auch Haltungen zu normalisieren.
Die Dinge spielen sich in Dark Social ab, deshalb sind die Dynamiken schwer zu überblicken. Weil der Vergleich zur Tea Party 2010 gezogen wurde: Auch hier ging es darum, durch Präsenz (z.B. bei Abgeordneten-Veranstaltungen im Wahlkreis) darum, medienwirksam aufzutreten und größer zu erscheinen, als man tatsächlich war – und auch darum, ein „Ventil“ für Wut zu symbolisieren.
Das führte zu Aufmerksamkeit, Content und Medienberichterstattung und damit auch zu Wachstum (recht schnell floss dann Geld der Koch-Brüder, was die Strukturen professionalisierte). Deshalb nehme ich an, dass nach der symbolischen und politischen Abarbeitung an den Reichtstagsbildern die nächste Demo mit mehr Teilnehmern rechnen kann. An der Ablehnung dieser Proteste durch ca. 90 Prozent der Bevölkerung muss das nichts ändern; wohl aber am Konfliktpotenzial vor Ort, wenn eine sechsstellige Zahl von Menschen sich Richtung Reichstag orientiert und nur ein Bruchteil davon erneut den Durchbruch versucht. Auch das würde wahrscheinlich weitere Bilder erzeugen, sich anschließende Diskussionen und letztlich eine Relevanz, deren Nukleus auch im Umgang mit dem Ursprungsmoment am Samstag liegt.